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Donnerstag, 14. April 2016

Die Versachlichung der Schönen Literatur


Als in der ersten Aprilwoche in der Spiegelbestsellerliste Benjamin von Stuckrad Barres autobiographischer Roman „Panikherz“ auf Platz 1 in der Kategorie „Sachbuch“ erschien, habe ich noch an einen Aprilscherz geglaubt. 

Inzwischen habe ich mir das „Literarische Quartett“ vom 26. Februar angeschaut, in dem das Buch „besprochen“ wurde. (Die Sendung gerät durch Maxim Biller immer mehr aus dem Gleis; vielleicht fühlen sich die Leute gerade dadurch animiert, das Streitobjekt zu kaufen.) Für die Platzierung des Romans als „Sachbuch“ ist wohl Volker Weidermann (Leiter des „Literaturspiegels“ und des „Literarischen Quartetts“) verantwortlich.
Bestsellerliste des SPIEGEL (frühere Ausgabe)


Nun liegt Weidermann damit gar nicht so falsch, ist aber letztlich inkonsequent: Für immer mehr sogenannte „Romane“, die in den letzten Monaten erschienen sind, träfe dies meiner Meinung nach gleichermaßen zu.


Auffällig ist, daß es sich durch die Bank um sehr dicke Bücher handelt: neben „Panikherz“ mit 572 Seiten noch die folgenden:










Sachbücher sind Bücher, die Leute lesen, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren. Sachbücher sind selten „schöne“ Bücher, die ihre Qualität aus der Eleganz von Sprache und Komposition gewinnen. Das nun allerdings trifft auf die oben genannten Titel allesamt doch zu: die Autoren können - zum Teil brillant - schreiben!


Aber warum sollte ich Juli Zehs „Unterleuten“ lesen, wenn ich mich nicht für brandenburgische Dörfer nach der Wende interessiere? Warum „Panikherz“, wenn ich mich nicht mit einem völlig durchgeknallten kultur- und drogensüchtigen Narzissten und seinen Selbstheilungsversuchen beschäftigen möchte? Und so weiter und so weiter.


Das Problem ist, daß ich für eine sinnvolle Unterbauung meiner Hypothese all diese Bücher lesen müsste, 4000 Seiten, die mich monatelang von der wirklich Schönen Literatur fernhalten würden. Das will ich mir nicht antun.


Für Interessierte habe ich alle Buchtitel oben mit einem Link zu einer guten Rezension unterlegt.

Und wer ein Gegenbeispiel will, der lese Clemens Setz "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" (2015).

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