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Dienstag, 18. August 2015

Die spinnen, die Preußen - Die „Blaue Grotte“ von Schloss Marquardt



Bahnhofsschild von Marquardt (Foto: piedschi)
Nur eine Viertelstunde mit der Regionalbahn dauert die Fahrt von Potsdam nach Marquardt, einem verschlafenen Dorf, in das seit Jahrhunderten nur wegen des Schlosses Leute aus den Städten zu Besuch kommen.

Hinter der Dorfkirche fanden wir – noch ohne zu wissen, um wen es sich handelte - ein eisernes Grabkreuz mit dem Namen Bischoffwerder. Und links davon war auch schon der Eingang zum Schlosspark: Lenné schon wieder (1823, mein Gott, was war der Mann fleißig)!




Lennés Park von Schloss Marquardt (Foto: piedschi)

Aber Jahrzehnte vor Lennés Künsten ist ein General der Herr des zu seiner Zeit viel kleineren Schlosses gewesen: Hans Rudolf von Bischoffwerder war ein Berater von Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) und zwar vor allem in okkulten Dingen. Er lebte von 1795 bis 1803 in dem Schlösschen und wurde zu dessen Lebzeiten (ob hinterher auch, das weiß ich nicht) des öfteren vom preußischen König besucht.

Theodor Fontane widmet dieser Episode seine Aufmerksamkeit:

“Das neue Leben wurde durch das denkbar froheste Ereignis inauguriert: durch die Geburt eines Sohnes, eines Erben. Das alte Haus Bischofswerder, das bis dahin nur auf zwei Augen gestanden hatte, stand wieder auf vier. Die Taufe des Sohnes war ein Glanz- und Ehrentag. Der König hatte Patenstelle angenommen und erschien mit seinen beiden Generaladjutanten von Rodich und von Reder. […]


Zwischen diesem 17. Juli 1795 und dem 16. November 1797 lagen noch zwei Sommer, während welcher der König seine Besuche mehrfach erneuerte. Ob er eintraf, lediglich um sich des schönen Landschaftsbildes und der loyalen Gastlichkeit des Hauses zu freuen, oder ob er erschien, um »Geisterstimmen« zu hören, wird wohl für alle Zeiten unaufgeklärt bleiben. Die Dorftradition sagt, er kam in Begleitung weniger Eingeweihter, meist in der Dämmerstunde […], passierte nie die Dorfstraße, sondern fuhr über den »Königsdamm« direkt in den Park, hielt vor dem Schlosse und nahm nun an den Sitzungen teil, die sich vorbereiteten. Man begab sich nach der »Grotte«, einem dunklen Steinbau, der im Parke, nach dem rosenkreuzerischen Ritual, in einem mit Akazien bepflanzten Hügel angelegt worden war. Der Eingang, niedrig und kaum mannsbreit, barg sich hinter Gesträuch. Das Innere der Grotte war mit blauem Lasurstein mosaikartig ausgelegt und von der Decke herab hing ein Kronleuchter. In diese »blaue Grotte«, deren Licht- und Farbeneffekt ein wunderbarer gewesen sein soll, trat man ein; der König nahm Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiser Gesang, wie von Harfentönen begleitet. Dann stellte der König Fragen und die Geister antworteten. Jedesmal tief ergriffen, kehrte Friedrich Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück.


So die Tradition. Es wird hinzugesetzt, die Grotte sei doppelwandig gewesen, und eine Vertrauensperson des Ordens habe von diesem Versteck aus die »musikalische Aufführung« geleitet und die Antworten erteilt. Daß die Grotte eine doppelte Wandung hatte, ist seitdem und zwar durch den jetzigen Besitzer, der den Bau öffnete, um sich von seiner Konstruktion zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwiesen worden. Die Lasursteine existieren noch, ebenso der Akazienhügel. Dennoch gibt es Personen, die den ganzen Schatz Marquardter Volkssage einfach für Fabel erklären. Ich kann diesen Personen nicht beistimmen. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß Bischofswerder ein Rosenkreuzer war, daß er mehr als einmal in Berlin im Palais der Lichtenau, in Sanssouci in einem am Fuß der Terrasse gelegenen Hause, endlich im Belvedere zu Charlottenburg wirklich »Geister« erscheinen ließ und daß er bis zuletzt in seinem Glauben an alchimistische und kabbalistische Vorgänge aushielt. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Grotte ähnlichen Zwecken diente, und nur darüber kann ein Zweifel sein, ob der König, der im ganzen vielleicht nur vier-, fünfmal in Marquardt war, an diesen rosenkreuzerischen Reunions teilnahm.”

Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, III. Teil Potsdam und Umgebung





Schloss Marquardt mit Ballsaal (links), Foto: piedschi

Leider ist die “Blaue Grotte” nicht erhalten. Herumirrende Geister müssten sich dem Haupthaus zuwenden, das seit langer Zeit leersteht. In der Kaiserzeit hat ein reicher Industrieller den linken Teil angebaut, einen großen Ballsaal, der noch heute für Festivitäten gemietet werden kann, mit oder ohne Geister.
Der Park und die Landschaft um den angrenzenden Schlänitzsee sind wunderschön.

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