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Mittwoch, 13. Mai 2015

Nico Rost, Brief aus Holland


Irgendwo habe ich gelesen, dass der niederländische Autor und Journalist Nico Rost in den zwanziger Jahren eine Reihe von Artikeln in der deutschen Zeitschrift „Der Querschnitt“ veröffentlicht hat. Dabei stieß ich darauf, dass diese Zeitschrift komplett digitalisiert im Netz steht. Und dort habe ich einen wunderschönen, fein ironischen Brief von Nico Rost gefunden, von dem ich unten ein paar Auszüge wiedergebe.

Wer ihn ganz lesen will, kann ihn auf dieser Website finden, die außerdem noch eine ganze Reihe damaliger illustrierter Zeitschriften anbietet: magazine.illustrierte-presse.de.


Nico Rost
Der „Brief aus Holland“ (1926) war Nico Rosts erster Beitrag im „Querschnitt“. Zur Ironie dieses Briefes gehört auch, dass er an den neuen Herausgeber der Zeitschrift gerichtet ist, Hermann von Wedderkop:



Brief aus Holland. Von Nico Rost

Lieber Herr v. Wedderkop! Sie haben im Juni 1921 im „Neuen Merkur“ einen Aufsatz über Holland geschrieben und werden sich wundern, darüber nach fünf Jahren einen Brief zu bekommen. Ihr Erstaunen dürfte um so berechtigter sein, als man bei uns eigentlich nie liest, was Deutsche über uns schreiben. Aber das können Sie natürlich nicht wissen – so gut kennen Sie Holland nicht. (…)
Sie haben bemerkt, daß wir vor allem Realisten sind, auch daß dieser Realismus einen sehr besonderen Charakter zeigt. Die holländische Literatur, die Sie wohl kaum kennen, gibt Ihnen hier recht. Wir sind auch da Realisten, „visionäre Realisten“ möchte ich beinahe sagen. (…)
Wir fassen immer sofort das Endziel ins Auge und wollen unbedingt erreichen, was wir vorhaben. Deswegen darf man uns aber noch nicht einfach nüchtern nennen. Wir sind keine Amerikaner. Wir arbeiten schweigender, innerlicher. Wir kennen den Willen als einen Traum der Seele. Wir erleben unsere Realität im Traum.
Die holländische Nation ist eine durchaus theologische. Sie ist es immer gewesen und wird es immer bleiben. (…)
Ein dogmatischer Calvinismus hat bei uns schon seit Jahrhunderten einen immensen Schaden angerichtet. Denn wer Holland liebt, muß es gleicherzeit unendlich hassen. (…)
Ein Satz hat mich in Ihrem Aufsatz besonders frappiert. „Der Holländer sieht nicht über Dinge hinweg, die da sind, und bemerkt nicht solche, die nicht da sind.“ Ich glaube, man kann unser Volk nicht besser charakterisieren. Wir sind kritisch und werden uns nie für etwas begeistern oder uns einer geistigen Bewegung im Ausland anschließen. Eine Revolution ist in einem solchen Lande einfach unmöglich, so wie jede Massenbewegung unmöglich ist. (…)
Was uns fehlt, ist besonders Kollektivgefühl. Wir formen kein einheitliches Ganzes: wir sind zu sehr eine Versammlung von Wohnzimmern. (…)
Es gibt in Holland eine große Intelligenz – verhältnismäßig viel größer als bei Ihnen – eine Intelligenz, die sicher zu den gebildetsten in Europa gehört. (…) Besäße Ihr Land solche Intelligenz, es würde anders dastehen als jetzt. Ich teile Ihnen dies alles nur mit, in der Hoffnung, Ihr altes Interesse dadurch wieder aufzufrischen.
Ich hoffe also, eine Antwort von Ihnen zu erhalten, und werde mich freuen zu hören, Ihr Interesse für das Land, in dem die Leute, wie Sie schreiben, soviel essen und so fest schlafen, von neuem geweckt zu haben. 

Bis dahin mit herzlichen Grüßen
Ihr
Nico Rost
Aus: Der Querschnitt, VI. Jahrgang, Heft 8, August 1926, S. 583-586
Ob Hermann von Wedderkop geantwortet hat, weiß ich nicht. Muss ich noch suchen.

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