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Montag, 16. September 2013

Sex-Camouflage in den Gedichten von Gottfried August Bürger (1)

Die Bibliothek der Philosphischen Fakultät in Groningen wird diesen Herbst in die zentrale Universitätsbibliothek eingegliedert. Weder die Mitarbeiter noch die Nutzer sind glücklich hierüber.

Schon seit Wochen werden Dubletten billig abgestoßen, 6 Bücher für 5 Euro. Ich habe einige gekauft, aber es fühlt sich an wie Leichenfledderei. Andererseits begegne ich manchem Autoren, den ich immer links habe liegen lassen, zum Beispiel Gottfried August Bürger (1747-1794).

Ich kannte von Bürger nur seinen Münchhausenroman. Jetzt habe ich eine schöne Ausgabe seiner sämtlichen Werke erstanden, einbändig mit einem Jugendstileinband, 1911 erschienen.

Beim Blättern und Hineinlesen fielen mir die vielen Liebesgedichte auf, die zur großen Popularität Bürgers bis weit ins 19. Jahrhundert hinein beigetragen haben. Das liegt auch an der erotischen Offenheit einiger Gedichte, in denen dennoch das Sexuelle geschickt verborgen wird.
Hier ist ein Beispiel, bei dem der Gedankenstrich Verwendung findet. Dem Leser wird selbst überlassen, sich auszumalen, was zwischen Lieschen und dem Knappen geschah. Keine ungewöhnliche Methode, aber doch: Eine halbe Strophe, vier Zeilen lang, besteht aus Gedankenstrichen. Das ist doch ziemlich viel, und des Lesers Phantasie kann sich lang und breit und lüstern oder lieblich entfalten:

Schön, wie der Apfelbaum im Mai

   Schön, wie der Apfelbaum im Mai,
Schön blühte Müllers Liese.
Sie harkte, wandt’ und häuft’ ihr Heu
Auf rundumbuschter Wiese.
Und als das Heu gehäufelt war,
Da sank sie, sicher vor Gefahr,
Zum Labsal matter Glieder
Aufs letzte Häuflein nieder.
 
   Da kam des Müllers junger Knapp’,
Er kam mit leisen Tritten
Das stille Wiesental herab
Zur Schläferin geschritten.
Er warf ihr Blumen ins Gesicht,
Die Schläferin erwachte nicht.
Es half kein Händeklappen,
Kein Tippen und kein Tappen. 

    Der rege Fleiß in schwüler Luft,
Ein Mosttrank auf die Schwüle,
Der Wiesenkräuter Würzeduft,
Des Pappelschattens Kühle
Berauschten Lieschen. Sie entschlief;
Sie schlief so süß, sie schlief so tief,
Kein Necken und kein Schrecken
Vermochten sie zu wecken. 

   _   _   _   _   _   _   _   _
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_   _   _   _   _   _   _
 
Zu sagen, was der Jäger tat,
Wär’ itzt ein alberner Verrat.
Doch sollt’ er nach zwei Jahren
Samt Lieschen es erfahren.

Das einzige, was mich irritiert, ist die Zeitspanne von “zwei Jahren”. Es geht doch nicht um ein Elefantenbaby, oder?

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