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Freitag, 30. August 2013

Steh auf, wenn du ein Friese bist!

Eala frya Fresena: Diesen Spruch kenne ich seit meiner Jugend im ostfriesischen Leer. Was immer er bedeutete, war mir lange unklar. Es war eben der ostfriesische Wappenspruch, und er hat mir irgendwie gefallen. “Sei frei, Friese!”, habe ich mir in späteren Jahren dazu gedacht. Nicht schlecht. Beinah!

Die Wikipedia erzählt uns, dass die Übersetzung von “Eala frya Fresena” umstritten ist. Nach dem Lesen des Artikels erschien mir aber dies als die passendste Version:
“Steh auf, wenn du ein Friese bist!”
Passend ist das im historischen Sinn der Bedeutung der friesischen Freiheit und passend auch im Sinne eines gewissen heutigen Gemeinschafts-Chors, der mir ebenfalls etwas bedeutet: “Steh auf, wenn du ein Schalker bist!” (Mit Gelsenkirchen verbinden mich gewisse Verbindungen.)

Ja, wat denn nu? Entweder Schalke oder Ostfriesland?

Also, ich könnte mir vorstellen, dass - wenn ich mal in der Arena auf Schalke sein sollte (war ich noch nie, aber ich war einmal bei Germania Leer) - und ich höre diesen gewaltigen Chor aus zigtausenden Stimmen, dass ich dann einfach höre: “Steh auf, wenn du ein Friese bist.” Und dann stehe ich auf und wundere mich, denn das habe ich in Leer/Ostfriesland noch nie gehört.

Die Leseratte (2)


Mittwoch, 28. August 2013

Wolfgang Herrndorf ist tot

Wolfgang Herrndorf, der Autor von "Tschik" und "Sand", hat sich vorgestern in der Endphase seines Gehirntumors erschossen. Sein Blog "Arbeit und Struktur" ist beendet und nicht mehr zugänglich. Hoffentlich wird es eine gedruckte Version davon geben.

Montag, 26. August 2013

Kritik der reinen Erinnerung – Botho Strauß und das alte Fünfzig-Pfennig-Stück

„Das Gedächtnis klimpert mit den abgegriffenen Münzen, alle noch aus DM-Zeiten, vornehmlich Fünfzig-Pfennig-Stücke, die einst genügten für Kino und Friseur, auf der Rückseite die kniende Eichen-Pflanzerin mit Kopftuch, Wiederaufbaufee nach BDM-Geschmack.

Unantastbare Nachkriegszeit, im Gedächtnis der geschützte Code der Frühe. Ein Siegel, das kein späteres Besserwissen brechen konnte. Erinnerungen verblassen, dafür lösen sich Depots, die feindosiert Vergangenheit als reinen Stoff ins Blut streuen.“

Botho Strauß, Vom Aufenthalt, München 2009, 150f.

Das ist für mich ein spannender Text: genauso wie Strauß erfahre ich es auch. Das Fünfzig-Pfennig-Stück fand ich als Kind besonders schön, als Silbermünze, deutlich mehr wert als ein Groschen, mit einem konkreten Bild auf der Rückseite – ich finde immer noch Münzen mit einem realistischen Bild schön, nicht die stilisierten Adler, Zeichen und Köpfe – dies ist ein intensives Geldstück aus der Kindheit, ein geschützter ‚Code der Frühe‘. Die holländischen Kwartjes und Dubbeltjes waren damals sogar noch faszinierender: mein erstes ausländisches Geld. Die Faszination durch Münzen hat sich gehalten. Zeitweise habe ich Münzen gesammelt, und immer habe ich ein Auge dafür gehabt: im Europa vor dem Euro (das war sehr schön im naiven Sinn) und im Europa seit dem Euro (das ist sehr schön im ideellen Sinn). Ich habe ein Kästchen mit Euromünzen, deren Rückseiten mir besonders gefallen: die griechische Eule und Europa mit dem Stier, die Schwäne auf den finnischen Münzen.
Aber Botho Strauß will ja mehr: das Gedächtnis ‚klimpert‘ mit den alten Münzen, aber der erwachsene Botho sieht auf der Fünfzigpfennigmünze eine ‚Wiederaufbaufee nach BDM- Geschmack‘. Dennoch bleibt das Stück unantastbar und versiegelt.
Die persönliche Kindheit mit ihren sinnlichen Prägungen und Aufregungen - und der in Jahrzehnten geübte kritische Blick auf die fünfziger Jahre und die Gesellschaft, in der wir aufgewachsen sind: gehört das zusammen oder gehört das auseinander. Und was meint Strauß mit dem ‚reinen Stoff‘, der uns jetzt als Vergangenheitsheroin ins Blut rieselt?

Sonntag, 25. August 2013

Rüdiger Safranski: die ultimative Goethe-Biographie

Jetzt ist sie da: Am morgigen Montag erscheint die neue Goethe-Biographie von Rüdiger Safranski. Titel: “Goethe. Kunstwerk eines Lebens” (München: Hanser 2013).

Safranski ist bekannt von seinen Biographien über Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger und Schiller. Vor kurzem hat er ein Buch über die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller veröffentlicht, offenbar eine Vorübung für sein Monumentalwerk zum deutschen Olympiker.

Im Spiegel lobt Matthias Matussek (ja: der humorlose Krömer-Gast) das 750-Seiten-Werk über den Klee. Ich kann hier aber noch keine Rezension linken.

Freitag, 23. August 2013

Wolfgang Koeppens Romanfragment Die Jawang-Gesellschaft


Vor ca. 10 Jahren habe ich diesen Aufsatz geschrieben. Er stammt aus meiner Reihe zu deutsch-niederländischen Kulturbegegnungen. Wolfgang Koeppen war 1934-38 in einem (freiwilligen) Exil in den Niederlanden.

Schattenspiel

Wolfgang Koeppens Romanfragment Die Jawang-Gesellschaft 

In einer “Periode der Verzweiflung” entstand in den Jahren 1937/38 während Wolfgang Koeppens freiwilligem Exil in den Niederlanden der Plan zu dem Roman Die Jawang-Gesellschaft. Jahrzehntelang ist in der Literaturkritik über dieses Projekt gerätselt und spekuliert worden. Der verschmitzt-versponnene Autor, dem nach dem Erfolg seiner drei Romane der fünfziger Jahre eine Schreibhemmung nachgesagt wurde, schien immer für eine Überraschung gut. Und wenn es denn nicht ein neuer Roman sein sollte, so vermutete man in seinen Schubladen wunderbares Verstecktes. Die Hoffnungen bestätigten sich 1992, als ein Roman von ihm neu verlegt wurde, der 1948 unter anderem Namen erschienen war.
44 Jahre lang hatte der Autor über Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch geschwiegen. Worüber noch? Nach Koeppens Tod im Jahre 1996 hat Alfred Estermann eine erste Sichtung des Nachlasses vorgenommen und die vorgefundenen Prosastücke veröffentlicht.[1] Das umfangreichste und interessanteste Manuskript sind die drei Kapitel des Jawang-Projektes. Koeppen hat mit knappen und teils widersprüchlichen Äußerungen zu dem langjährigen Verwirrspiel über diesen Roman beigetragen, das Estermann im Nachwort zur gesonderten Ausgabe des Textes[2] dokumentiert.
Aus den erhalten gebliebenen Kapiteln ist das Gesamtkonzept des Romans nicht abzuleiten, nicht einmal der Plot wird deutlich. Der Roman bricht ab, bevor überhaupt die im Titel genannte “Jawang-Gesellschaft”, eine indonesische Schattenspielgruppe, in irgendeiner Form eingeführt oder auch nur erwähnt wird. Das Puppentheater taucht jedoch im Motto auf, einem Zitat aus Kleists Aufsatz Über das Marionettentheater: “Zudem, sprach er, haben diese Puppen den Vorteil, dass sie antigrav sind. Von der Trägheit der Materie, dieser dem Tanze entgegenstrebendsten aller Eigenschaften, wissen sie nichts: weil die Kraft, die sie in die Lüfte erhebt, größer ist als jene, die sie an die Erde fesselt.”



Zum Weiterlesen hier klicken:

Donnerstag, 22. August 2013

Steff la Cheffe und ihre bittersüßen Pillen


Die Jukebox von Café Deutschland muss dringend mit ein paar neueren Titeln gefüllt werden, sonst wird das hier alles zu kopflastig.

Steff la Cheffe
Bei der Suche lief mir die Schweizer Rapsängerin Steff la Cheffe über den Weg. Von den Titeln auf YouTube gefällt mir im Moment „Im Momänt“ von ihrem Debütalbum „Bittersüessi Pille“ (2010) am besten.



Refrain:
Im Momänt ke Job. Im Momänt ke Schuu.
Im Momänt ke Fründ. Im Momänt uf Tour.
Im Momänt nume Musik. Im Momänt nume Moves.
Es muess aus us mir use. Des isch aus woni bruch.

1. Strophe
I bi so frei wine Vogu - e Vogu.
I bruche Luft, blibe dobe - dobe.
I blib nid schtah ufem Bode - em Bode.
Wosch du mi fah, bini gschobe - gschobe.
I bi ellei, bi a niemer bunde.
I cha ga fiire bis i d Morgeschtunde.
I ga gärn furt und i dräih mini Runde.
I gah i Club gah di Männer erkunde.
I wär scho zha fürnes Abetür,
We du nur frage würdsch, wärsch du dr Ma drfür,
I bi scho nätt, doch erhoff dr doch nüt.
Es isch scho schpät und i bi bsoffe vor Glück.

Ref.

2. Strophe
I bi no jung, muess mi entfaute - entfaute.
Wi Schmätterlinge, wine Fauter - e Fauter.
Bi nid normau u das gfaut mr - gfaut mr.
Villech chunnt das ja im Auter - im Auter.
I briche di Norm. I entsprich nid dr Norm.
Nid erpicht druf, vrzichte, vrnichte di Norm.
I brich liebr Brot mit paar Wichte i Not.
Ihri Gschichte im Ohr und brichte drvo.
Und i drifte drvo, wöu di Richter vom Dorf
Wei mi richte wi Gott, gäbe d Richtig scho vor.
Mini Sicht isch eso. I vrpflichte mi scho
Für di wichtige Sache zrbrichmer dr Chopf.

Ref.

3. Strophe
Lug, i cha läbe, was i liebe - liebe
u drbi no Gäud vrdiene - vrdiene.
Lug wi häu, dass i schiine - schiine.
Muess mi für niemer vrbiege - vrbiege.
Es geiht mr guet, s chönnt nid bessr si.
Niemer schtresst, niemer presst, niemer fesslet mi.
Yes i bi ir letschte Zyt,
so huere gflasht, wi uf Extasy.
I bi im Fium mit dr bescht Regie.
Grosses Kino uf de beschte Sitz.
Chömet feschtet mit, so exzessiv
wöu i setz di für d Session uf d Gäschtelischte.

Ref.

Lyrics: S. Peter / Music: D. Jud, G. Sohrya
Copyright: Bakara Music

Gerade ist ihr zweites Album „Vögu zum Geburtstag“ erschienen, das in der Schweizer Hitparade auf Platz 1 steht.

Nicht-Schweizer brauchen eine Texttranskription, um sie zu verstehen. Auf ihrer YouTube-Website sind alle zu finden. Dort kann man auch ihre CDs bestellen.

Steff la Cheffe ist auch Vizeweltmeisterin im Genre „Beatboxing“. Das liegt mir nicht so. Aber wer sich die Finalrunde antun möchte, kann sie hier sehen und hören

Dienstag, 20. August 2013

Berlin im Sandkasten

Ich habe endlich mein Berlin zurück und gehe jetzt spielen! Die Mark Brandenburg ist ja als "preußische Sanddose" bekannt.


Berlin-Sandförmchen
Bezugsquelle hier

Helmuth Lethen, Auf der Suche nach dem Handorakel - Vom wilden Lesen in den Siebzigern


Ich hatte einmal angekündigt, in Café Deutschland neben Karl-Heinz Bohrers „Granatsplitter“ und Hans Ulrich Gumbrechts „Nach 1945“ auch Helmut Lethens „Suche nach dem Handorakel“ (Göttingen 2012 ) besprechen zu wollen. Anlass war der gemeinsame Auftritt dieser drei älteren Herren auf einem Kongress in Berlin 2012.


Helmut Letten

Zu Helmut Lethen bin ich irgendwie nicht gekommen, obwohl er mir näher steht als die beiden anderen und mir sein kleines Büchlein sehr gefallen hat. Aber genau das ist wohl der Grund dafür.

Dann habe ich entdeckt, dass Jochen Schimmang es in der taz besprochen hat. Er steht dem Autor noch näher und kann besser als ich über sich selbst und die wilden siebziger Jahre schreiben. Hier ist sein Beitrag zu Lethens Buch: Artikel von Jochen Schimmang in der taz.

Montag, 19. August 2013

Der deutsche Buchpreis 2013 - Wer wird's? Und wenn ja wie viele?



Die Longlist für den Buchpreis ist da. Zwanzig Titel.

Von acht Autoren habe ich noch nie etwas gehört. Das ist ein gutes Zeichen.
Elf Romane erscheinen im August/September. Was soll ich dazu sagen?
Das absolute Schwergewicht ist Reinhard Jirgls „Nichts von euch auf Erden“ und wird den Preis nicht bekommen.
Warum Jirgl nicht? Schaut auf letztes Jahr, als Ursula Krechels “Landgericht” den Preis bekam. Stinklangweilige politisch-literarische Korrektheit als Auswahlkriterium.
Warum sollte es dieses Jahr anders sein?
Aber die restlichen neunzehn könnten Stück für Stück großartige Literatur sein. So hat die Liste doch ihren Sinn.

• Mirko Bonné: Nie mehr Nacht (Schöffling & Co., August 2013)
• Ralph Dutli: Soutines letzte Fahrt (Wallstein, März 2013) 
• Thomas Glavinic: Das größere Wunder (Hanser, August 2013) 
• Norbert Gstrein: Eine Ahnung vom Anfang (Hanser, Mai 2013) 
• Reinhard Jirgl: Nichts von euch auf Erden (Hanser, Februar 2013) 
• Daniel Kehlmann: F (Rowohlt, September 2013) 
• Judith Kuckart: Wünsche (DuMont, März 2013) 
• Olaf Kühl: Der wahre Sohn (Rowohlt.Berlin, September 2013) 
• Dagmar Leupold: Unter der Hand (Jung und Jung, Juli 2013) 
• Jonas Lüscher: Frühling der Barbaren (C. H. Beck, Januar 2013) 
• Clemens Meyer: Im Stein (S. Fischer, August 2013) 
• Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Kiepenheuer & Witsch, Februar 2013) 
• Terézia Mora: Das Ungeheuer (Luchterhand, September 2013) 
• Marion Poschmann: Die Sonnenposition (Suhrkamp, August 2013) 
• Thomas Stangl: Regeln des Tanzes (Droschl, September 2013) 
• Jens Steiner: Carambole (Dörlemann, August 2013) 
• Uwe Timm: Vogelweide (Kiepenheuer & Witsch, August 2013) 
• Nellja Veremej: Berlin liegt im Osten (Jung und Jung, Februar 2013) 
• Urs Widmer: Reise an den Rand des Universums (Diogenes, August 2013) 
• Monika Zeiner: Die Ordnung der Sterne über Como (Blumenbar, März 2013)