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Sonntag, 10. März 2013

Der Film “Stellet licht”, die Russlandmennoniten und das Plautdietsch

In unserem privaten Filmclub habe ich einen Film und eine damit verbundene ethnisch-religiöse Minderheit kennengelernt, die mir bisher völlig unbekannt waren. Der langsame und ruhige Film “Stilles Licht” (2007) des mexikanischen Regisseurs Carlos Reygadas handelt von einem Liebesdrama in der mennonitischen Gemeinde von Cuauhtémoc in Mexiko.

Das Besondere an dem Film ist die völlige Abwesenheit negativer Emotionen und das, obwohl die Handlung mit Ehebruch und Tod doch genug Anlass dazu gäbe. Oder auch eine Familie mit sechs Kindern: kein Streit weit und breit! Leben im Einklang mit der Umgebung und der Natur: die perfekte bildliche und handlungsmäßige Umsetzung der mennonitischen Lebensregeln.

In Mexiko gibt es heute ungefähr 25.000 Mennoniten, die ihren pazifistischen Glauben mehr oder weniger orthodox und modernitätsfeindlich leben. Ihre Vorfahren sind nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Russland 1870 vor allem in die USA eingewandert und dann zum Teil nach Mexiko gelangt. Als gemeinsame Sprache brachten sie das Plautdietsch mit, eine Mischung aus Deutsch, Friesisch und Niederländisch, die dort noch heute neben dem Spanischen gesprochen wird. Der Film “Stilles Licht” ist in dieser Sprache gedreht, was ihm einen zusätzlichen, befremdlichen Akzent gibt: Je länger man zuhört, desto mehr versteht man, obwohl man das Gehörte keiner bekannten Sprache zuordnen kann.
Die Medien - und auch wir - hatten eine lebhafte Diskussion zu dem Film.
 
Der historische Hintergrund läuft übrigens parallel zum Pennsylvania Dutch bei den Amish, über das ich anlässlich des Romans “Schau heimwärts, Engel” geschrieben hatte.

Von den weltweit etwa 500.000 Mennoniten, die Plautdietsch sprechen, leben seit 1990 etwa 200.000 in Deutschland. Diese in der Sowjetunion jahrzehntelang grausam verfolgte Minderheit ist nach dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs nahezu geschlossen nach Deutschland ausgewandert, wo sie als Russlanddeutsche Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft hatten.

Die Gesamtzahl der ab 1990 nach Deutschland emigrierten Russlanddeutschen beträgt mehr als zwei Millionen. Bei 10% von ihnen handelt es sich also um Russlandmennoniten, die heute vor allem im Ruhrgebiet leben und dort auch ihre religiösen und kulturellen Organisationen haben.

Vom Ausmaß und vom vorhergehenden Leid dieser Völkerwanderung hat man in den letzten zwanzig Jahren nicht sehr viel gehört.

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