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Freitag, 31. August 2012

Billy Wilder

In den Ruinen von Berlin: Billy Wilder, A Foreign Affair


Bei meiner Beschäftigung mit dem Jahr 1945 habe ich mir wieder den Film A Foreign Affair (1948) von Billy Wilder angesehen. Er gefällt mir immer besser.

Wilder war bereits 1933 aus Deutschland geflohen. 1945 ist er kurze Zeit im besetzten Berlin als Offizier der amerikanischen Armee für Reeducation und Filmangelegenheiten zuständig und leitet dabei die Aufnahmen für die KZ-Dokumentation Die Todesmühlen. Seinen Plan, einen Spielfilm im zerstörten und besetzten Berlin zu drehen, kann er erst 1947 verwirklichen. A Foreign Affair ist ein durch und durch ironischer und teilweise zynischer Film über die halb anarchistischen Verhältnisse in den Ruinen von Berlin. Die Deutschen kriegen ihr Fett, aber die Amerikaner auch. Kein Wunder, dass der Film damals kein Erfolg wurde.

Die Ruinen sind echt. Wilder hatte die Aufnahmen noch 1945 gemacht. Der Film wurde zum Teil in den Babelsberger Ufa-Studios gedreht und dann in Hollywood fertiggestellt. Wie es möglich war, dass Wilder 1947 in der Sowjetzone arbeiten konnte, habe ich noch nicht herausbekommen. Sein Nachfolger als Filmoffizier der Amerikaner war Erich Pommer, ein bekannter Filmproduzent aus den zwanziger Jahren. Pommer hatte natürlich gute Kontakte zur Ufa und der daraus hervorgegangenen DEFA. Wahrscheinlich ist das über ihn gelaufen.

Der Film lebt stark vom Kontrast der beiden Frauenrollen: Jean Arthur als hyperkorrekte, aber erotisch korrumpierbare Kongressabgeordnete und Marlene Dietrich als mondäne Nachtclubsängerin mit Nazi-Vergangenheit. Die Abgeordnete Phoebe Frost untersucht die Moral der amerikanischen Besatzungstruppen und wird mit dem wilden Nachtleben konfrontiert:

Donnerstag, 30. August 2012

Winfried G. Sebald

Der beste deutsche Roman der letzten zwanzig Jahre: „Austerlitz“ von W. G. Sebald


Der Roman Austerlitz (2001) von Winfried G. Sebald ist das bedeutendste Beispiel für die literarische Behandlung der deutschen Vergangenheitsschuld. Das Sehen beziehungsweise das unzulängliche Sehen spielt darin eine große Rolle.
 
Der mysteriöse Titel Austerlitz ist der Name der Hauptfigur. Austerlitz ist 1939 als Fünfjähriger mit einem Kindertransport aus Prag nach England gekommen und von einer englischen Familie adoptiert worden.

In Austerlitz wird eine Philosophie des unzureichenden Sehens im Hinblick auf Vergangenheit und Erinnerung entwickelt, eine Art Sebaldsche Unschärferelation. Je näher man hinzuschauen versucht, desto undeutlicher wird das Gesehene. Als Erwachsener begibt Austerlitz sich auf die Suche nach seinen wirklichen Eltern. Die Bruchstücke seiner Erinnerung treiben ihn in durch Europa, in einer um das schwarze Loch Deutschland herum kreisenden Bewegung, bis er in Prag die richtige Spur findet. Immer wieder spielt bei dieser Suche das unzureichende Sehen und Erkennen eine Rolle, bis zum Höhepunkt der auf Film und Foto festgehaltenen Bilder seiner Mutter in Theresienstadt, die sich in Zeitlupe und Vergrößerung in unscharfe Pixel auflösen.

Sebald ergänzt seinen Text mit Dutzenden von Fotos, die Austerlitz‘ Suche und Erinnerung dokumentieren und das Unschärfesyndrom demonstrieren. Am Anfang des Romans werden alle Motive wie in einer Ouvertüre angespielt. Gleich die ersten vier Abbildungen sind dem Motiv des Sehens gewidmet: zwei Fotos der großen Augen von Nachttieren mit besonderem Sichtvermögen und zwei von den Augen von Menschen mit gesteigerter Erkenntnisfähigkeit. Bei letzteren handelt es sich um die Augen des Philosophen Ludwig Wittgenstein und des Malers Jan Peter Tripp, der ein Freund Sebalds war.

Sebald fährt hier sozusagen die Wahrnehmungs- und Erkenntnisspezialisten der Tier- und Menschenwelt auf, aber nur, um sie schon im nächsten Moment wieder in Frage zu stellen.

Leider war „Austerlitz“  Sebalds letzter Roman. Der Autor ist kurz nach der Fertigstellung bei einem Autounglück ums Leben gekommen.

Mittwoch, 29. August 2012

Palindrome, vorwärts wie rückwärts: aha


Ein Seetier iss, o Ossi, reite es nie.

Ich liebe Sprachspiele aller Art, also auch Palindrome. Dies ist mein Lieblingspalindrom aus der Sammlung Gnudung.

 

Dienstag, 28. August 2012

Jan Brandt gegen die Welt – Ein Leserblog von Peter Groenewold


Ich habe letztes Jahr zwischen August und November in meinem alten Blog einen fortlaufenden Bericht zu meiner Lektüre des 900-Seiten-Romans Gegen die Welt von Jan Brandt geschrieben. Da ich den Roman sehr schätze, bringe ich mein Leserblog hier noch einmal (allerdings ohne die Fotos):

Jan Brandt gegen die Welt (0): Ein Leeraner geht in die Vollen

Wie jede Stadt hat auch Leer in Ostfriesland einige Schriftsteller hervorgebracht. In den Nachkriegsgenerationen gehört offenbar eine längere Lebensportion in Berlin dazu, die ostfriesischen Wurzeln junger Männer zum Blühen zu bringen. Das ist nun mit einem Jungen geschehen, der mit 36 in Berlin immer noch so aussieht, wie ich mit 18 in Leer, bevor ich in Berlin meine Haare wachsen ließ. Rein äußerlich ist ihm also nicht anzusehen, was er mir und anderen Leeranern voraus hat. Der Junge heißt Jan Brandt.

Aber hier hat sich offenbar etwas ganz Starkes ereignet: der Junge hat einen fast 1000seitigen Debütroman geschrieben, der im fiktiven Dorf Jericho in Ostfriesland spielt. Er nennt ihn „Gegen die Welt“. Das ist derart kühn, dass ich ihn unbedingt lesen möchte. Da ich kein Rezensionsexemplar davon erhalten habe, muss ich aber bis zum 24. August warten oder zwei Tage länger, bis mir Amazon das Ding schickt. Inzwischen steht das Ungetüm sogar auf der Longlist für den deutschen Buchpreis. Und wie soll ich die tausend Seiten bloß einplanen? Am selben Tag erscheint der neue Roman eines weiteren Leeraner Schriftstellers!

Jan Brandt gegen die Welt (1): Über der Wortwolke

Heute ist es angekommen. Irgendwie gefällt es mir auf Anhieb sehr gut. Ein dickes Buch: 927 Seiten! Ich habe es ausgepackt, habe dabei wie immer mit der Zellophanhülle gekämpft, habe es beäugt und berochen und dann den Schutzumschlag entfernt.

Zur Fortsetzung bitte "Weitere Informationen" anklicken:


Zu Goethes Geburtstag

Herzlichen Glückwunsch!

Montag, 27. August 2012

Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (8), 2000-2012

Die ZEIT nennt

Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt
Uwe Tellkamp, Der Turm

 
Café Deutschland empfiehlt

W.G. Sebald, Austerlitz (2001)

Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon (2004)

Jan Brandt, Gegen die Welt (2011)

Wenn es einen deutschen Roman zum Thema Holocaust und Erinnerung gibt, der international mit großem Interesse wahrgenommen wurde und auch noch zehn Jahre später in den Buchhandlungen liegt, dann ist es Winfried Sebalds Austerlitz, ein Buch über das, auch in der angelsächsischen Welt, bereits Bibliotheken vollgeschrieben wurden. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er in Deutschland unterschätzt wird. Es ist übrigens auch ein Roman, der bei Historikern, die sich mit der Geschichtsschreibung zum Holocaust beschäftigen, viel Aufmerksamkeit gefunden hat.

Die großen Publikumserfolge kommen im ZEIT-Kanon und bei mir nicht vor. Das wären dann die Romane mit Millionenauflagen so wie Patrick Süskinds Das Parfum und Bernhard Schlinks, Der Vorleser.  Obwohl ich mich mit beiden Romanen viel beschäftigt habe, hatte ich auch nicht das Bedürfnis, sie hier einzureihen. Aber ganz enthalte ich mich doch nicht: ich wähle Pascal Merciers Nachtzug nach Lissabon und begründe das hier gar nicht weiter. Wer’s noch nicht kennt, wird sicher nicht enttäuscht sein.

Im letzten Jahr habe ich in diesen Wochen des Jahres in meinem alten Blog zwanzig Beiträge über meine fortschreitende Lektüre von Jan Brandts 900-Seiten-Roman Gegen die Welt geschrieben. Ich hatte ihm den Deutschen Buchpreis 2011 gewünscht, leider vergebens. Da im Feuilletonbetrieb vieles Gute schnell wieder untergeht, setze ich ihn jetzt wieder auf meine Liste. Es ist einfach ein sehr guter Gegenwartsroman. Mein altes Blog ist leider nicht mehr zugänglich. Deshalb stelle ich die zwanzig kurzen Beiträge morgen in einer fortlaufenden Rezension zusammengefasst in Café Deutschland.

Samstag, 25. August 2012

Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (7), 1990-1999

Die ZEIT nennt

W.G. Sebald, Die Ausgewanderten (1992)
Elfriede Jelinek, Die Kinder der Toten (1995)

Herta Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger (1992)


Café Deutschland empfiehlt
Peter Handke, Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994)
Helmut Krausser, Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter (1993)

O je, die neunziger Jahre: da begann das Gerede vom großen Wenderoman. Aber der ließ auf sich warten. Der ZEIT-Kanon bedient hier praktischerweise lieber die beiden überraschenden Nobelpreisgewinnerinnen. Ich nutze die Chance, endlich Peter Handke seinen gebührenden Platz zu geben, und dann auch gleich mit einem Schwergewicht: Mein Jahr in der Niemandsbucht. Die Konsequenz Peter Handkes in seiner schriftstellerischen Existenz ist nachgeradezu irrsinnig und atemberaubend. Schaut euch einfach mal auf der Wikipedia sein Werkverzeichnis an! Deshalb hier nicht ein kleines, leicht zu lesendes Buch wie Wunschloses Unglück und auch nicht eines meiner Lieblingsbücher von ihm, Versuch über die Jukebox, sondern dieses Meisterwerk, für das man sich Zeit nehmen muss.
Na, und dann fängt Helmut Krausser an zu schreiben. Auch von ihm nehmen wir sein Meisterwerk: Melodien. Zusammen haben die beiden Romane beinahe mehr Seiten als alle anderen aus meiner Liste. Die neunziger Jahre: Zeit zum Zeitvertreib.

Dienstag, 21. August 2012

Schöne Wörter


In den achtziger Jahren wurde ich beruflich mit einem Lehrbuch konfrontiert, das in mir sofort eine innere Abwehr hervorrief. Es hieß „Schwere Wörter“ und bestand aus einer Liste von Wörtern, die zwei Bedeutungen oder zwei Geschlechter haben, im Niederländischen und Deutschen nicht dasselbe bedeuten („bellen“ = „telefonieren) oder die sich ähneln, aber transitiv und intransitiv gebraucht werden, wie „legen“ und „liegen“. Es wurde an Universitäten und Hochschulen als Idiombuch benutzt, das „bestudeerd“ = „gelernt“ werden musste.

Mir war dieser formalistische Ansatz zuwider und ich habe irgendwann angefangen, eine Gegenliste anzulegen: „Schöne Wörter“. Zum Beispiel:

Affentanz, Ausputzer, Beamten­filz, Bruchbude, Drückeberger, Duckmäuser, Durchfall, Fingerspitzengefühl, Gabelstapler, Heißhunger, Hubschrauber, Huckepack, Hupkonzert, Intelli­genzbe­stie, Klapperkasten, Klaps­mühle, Knutsch­fleck, Krimskrams, Kulturbeu­tel, Lackaffe, Leitham­mel, Lückenbüßer, Lustmolch, Murks, Murmeltier, Naseweis, Neidhammel, Nestwärme, Pantoffelheld, Plap­permaul, Plaudertasche, Pustekuchen!, Quatsch!, Saftladen, Sauhaufen, Schleim­scheißer, Schwe­renöter, Sorgenkind, Stubenhoc­ker, Traumtänzer, Zimtzicke, Zitterpartie.

Samstag, 18. August 2012


„Oben beim Lächeln haben wir, die beiden Geschlechter, noch die gleiche Chance. Darunter die Ungleichheit des Leibs, das eine Zerwürfnis.“

Botho Strauß, Paare, Passanten (München und Wien 1981), 45

Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (6), 1980-1989

Die ZEIT nennt

Christa Wolf, Kassandra (1983)
Uwe Johnson, Jahrestage (1983)
Thomas Bernhard, Holzfällen (1984)

Café Deutschland empfiehlt
Botho Strauß, Paare, Passanten (1981)
Thomas Bernhard, Auslöschung (1986)
Christoph Ransmayr, Die letzte Welt (1988)

Sollte der auf die geschwätzigeren und vergangenheitsorientierten Romane fixierte ZEIT-Kanon ganz auf den Gegenwartsprosaisten Botho Strauß verzichten wollen? Eine Chance haben sie noch, indem sie ihn in der nächsten Woche dem neuen Jahrtausend zuschlagen, vielleicht mit seinem Buch Vom Aufenthalt (2009). Das wäre dann ein guter Griff. Ich entscheide mich für sein frühes Werk Paare, Passanten, das wie ein Blog avant la lettre wirkt und mir schon deshalb sehr gut gefällt.
Und wenn schon Thomas Bernhard in den achtziger Jahren, warum dann nicht mit seinem Hauptwerk Auslöschung?

Auch Christoph Ransmayr lässt sich noch fürs neue Jahrtausend reklamieren, aber ich bin hier für seinen aufsehenerregenden „postmodernen“ Roman Die letzte Welt, obwohl mir Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984) eigentlich sein liebstes Werk ist.
Aus Zeitmangel nur kurze Kommentare heute. Ich habe dafür alle Titel durchklickbar zur Wikipedia eingestellt.

Donnerstag, 16. August 2012

Deutschland, Griechenland, Europa

Graffiti in Thessaloniki

Deutschland, Niederlande, Europa


"Lieber Berlin als Brüssel."

Leon de Winter. Schlusssatz seines Beitrags zur Seite “Wie wir euch sehen. Acht Schriftsteller aus der Euro-Zone sagen, was sie jetzt von uns halten”, DIE ZEIT Nr. 34, 16. August 2012, Seite 41

Dienstag, 14. August 2012

Wer ist Marjana Gaponenko?

Wer ist Marjana Gaponenko? oder Die transnationale Schönheit der deutschen Sprache


Wie eine orientalische Fee, die die deutsche Sprache schöner spricht als alle Frauen, so will sie mir vorkommen. Ist das nun einfach eine gelungene Werbeaktion des Suhrkamp-Verlags, der diese junge, 1981 in Odessa geborene Frau in eine Suite des Hotels Imperial in Wien gesetzt hat, in der ihr neuer Roman “Wer ist Martha?” spielt? Dort spricht Marjana dann einige berückende Sätze über ihr Denken und Schreiben:


Aber auch Volker Hage vom SPIEGEL hat sich betören lassen: “wie eine russische Fürstin” kommt sie ihm vor, und er lässt ein entsprechendes Foto zu seiner hymnischen Spiegel-Rezension abdrucken, die leider nicht online zur Verfügung steht.

Die Ukrainerin Marjana Gaponenko lebt in Mainz und schreibt auf deutsch. Deutsch ist ihre poetische Wahlsprache, die aus ihrem Munde ein dialekt- und akzentfreies transnationales Flair gewinnt, das ich mit mit dem Ende von Deutsch als mitteleuropäischer Kultursprache vor hundert Jahren verloren wähnte. Sehr schön! Zu dem Roman kann ich noch gar nichts weiter sagen.

Montag, 13. August 2012

Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (5), 1970-1979


Die ZEIT nennt

Ingeborg Bachmann, Malina
Peter Handke, Wunschloses Unglück

Café Deutschland empfiehlt
Christa Wolf, Kein Ort. Nirgends (1979)
Rolf-Dieter Brinkmann, Rom, Blicke (1979)

Zwei grundverschiedene Bücher, die als gemeinsames Element nur die Verzweiflung haben, aus der heraus sie geschrieben wurden. Die Ursachen dafür sind allerdings auch wieder grundverschieden: Christa Wolf schrieb ihre nur auf den ersten Blick historisch-beschaulich wirkende Erzählung 1977, im Jahr nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann und der Verschärfung des kulturpolitischen Kurses der DDR. Ein kritisches Buch zur DDR-Gegenwart war nur in historischer oder mythologischer Verkleidung möglich. In „Kein Ort. Nirgends“ erfindet Wolf eine Begegnung zwischen Heinrich von Kleist und Karoline von Günderode und lässt in deren Gesprächen die ganze Problematik und Verzweiflung des Lebens in einer unfreien Gesellschaft aufscheinen. Soweit ich es beurteilen kann, hat dieses Buch trotz seiner Aussichtslosigkeit, mehr noch als die spätere Erzählung „Kassandra“, für die in der DDR bleiben wollenden Intellektuellen eine große Rolle gespielt. Aber es ist auch im Westen viel gelesen worden.

Als der Rowohlt Verlag Rolf Dieter Brinkmanns „Rom, Blicke“ 1979 in seiner Reihe „das neue buch“ herausbrachte, war Brinkmann als radikaler Vertreter der „neuen Subjektivität“ durch seinen frühen Tod in London 1975 bereits so „interessant“ geworden, dass der Verlag das Risiko einer aufwendigen Ausgabe in doppeltem Format und mit hunderten von Fotos eingegangen ist. „Rom, Blicke“ ist eine Sammlung von Briefen mit tagebuchartigen Aufzeichnungen und vielen Bilddokumenten von Brinkmanns Aufenthalt in Rom, wo er 1972/73 ein Stipendium der deutschen Kulturinstitution Villa Massimo erhalten hatte. Für Brinkmann stellt sich dieser Aufenthalt als ein Anti-Arkadien dar; er hasst die antiken Trümmer, er hasst die römische Gegenwart, für ihn ist das alles die „reinste Lumpenschau“, er ist ein misanthropischer und psychopathischer Flaneur, der gleichwohl aufmerksam beobachtet und seine Beobachtungen in atemloser, an Arno Schmidt geschulter, Sprache wiedergibt. Das wird nicht jedem gefallen. Interessierte finden hier mehr dazu.

Samstag, 11. August 2012

Ernst Jüngers Handy

In Ernst Jüngers utopischem Roman “Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt” (1949) kommt ein Gerät vor, das mich, als ich das Buch in den siebziger Jahren las, tief beeindruckt hat: der Phonophor. Ähnliche Geräte kannte ich bereits seit den sechziger Jahren aus Science-Fiction-Romanen, aber dort wurden sie nicht so eindringlich beschrieben wie bei Jünger:

„Der Allsprecher. Erteilt in jedem Augenblick Orts- und astronomische Zeit, Länge und Breite, Wetterstand und Wettervoraussage. Ersetzt Kennkarte, Pässe, Uhr, Sonnenuhr und Kompass, nautisches und meteorologisches Gerät. Vermittelt automatisch die genaue Position des Trägers an alle Rettungswarten bei Gefahren zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft. Weist auch den Kontostand des Trägers aus und ersetzt auf diese Weise das Scheckbuch bei jeder Bank und jeder Postanstalt, und in unmittelbarer Verrechnung der Fahrkarten auf allen Verkehrsmitteln. Vermittelt die Programme aller Sender und Nachrichten-Agenturen, Akademien, Universitäten … und kann als Zeitung, als ideales Auskunftsmittel, als Bibliothek und Lexikon verwandt werden. […]
Man sah kaum einen Erwachsenen in Heliopolis, der ohne Sprecher ging. Die flachen Hülsen wurden in der linken Brusttasche getragen, aus der sie fingerbreit hervorragten. […] Das Eigentümliche beruht auf der Vereinfachung, auf der Verdichtung in einen kleinen Apparat. Man möchte meinen, dass der Stoff mit seinen kristallenen Gittern und seinen strahlenden Metallen unmittelbare Intelligenz gewonnen hätte, und dass hier einer der Übergänge von der Technik zur reinen Magie gelungen wäre.“
Ernst Jünger, Heliopolis, Tübingen 1949, S. 334-337

Natürlich ist das Ding auch ein Telefon. Die komplette Beschreibung umfasst vier Seiten und gibt verblüffend viele Funktionen des heutigen Handys wieder, nur Bildübertragungen gibt’s komischerweise nicht bei Jünger. Unvorstellbar in den vierziger Jahren und immer noch unvorstellbar in den siebziger und achtziger Jahren, dass es solch ein Gerät auf absehbare Zeit wirklich hätte geben können.

Pure Magie: der Phonophor

Als dann 2008 das iPhone angekündigt wurde, fühlte ich mich an den Phonophor und seine unglaublichen Möglichkeiten erinnert. Ich schaute mir den offiziellen Vorstellungsfilm von Apple an und war überzeugt: das iPhone kann sogar noch viel mehr. Ein Gerät voll purer Magie. Ich wollte so ein iPhone, aber es dauerte noch ein paar Wochen, bevor es in den Niederlanden erhältlich war. Am ersten Verkaufstag hätte ich es gekauft, geblendet durch die Magie des Gadgets. Aber die Läden quollen über, stundenlang. Dann war das iPhone ausverkauft, wochenlang. Und dann hatte eine andere Schicht meiner Person („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“) in mir die Regie übernommen und dafür gesorgt, dass ein Handymuffel wie ich mit einem Verbrauch von unter 5 Euro im Monat nicht unbedingt ein Gerät braucht, das mindestens 30 Euro im Monat erfordert. Aber ich schiele noch immer neidisch auf jeden Studenten, der mit dem magischen Maschinchen herumläuft.

Freitag, 10. August 2012

Die kleine Juli und die große Zeh: Zum sprachlichen Spieltrieb mit Vergleichen und Metaphern

Beim Lesen von Juli Zehs “Nullzeit” hatte ich völlig vergessen, dass gewagte, obskure und originelle Vergleiche gerade ein besonderes Stilmerkmal bei ihr sind, das bei ihren früheren Romanen jede Menge Kommentare hervorgerufen hat. In “Nullzeit” hat sie das nun allerdings sehr sparsam eingesetzt.

Auf der Suche nach ein paar Beispielen aus ihrem Schulroman “Spieltrieb” (2004) habe ich entdeckt, dass die Germanistin Evi Zemanek unter dem Titel “Unvergleichliche Vergleiche” bereits einen schönen Artikel dazu geschrieben hat. Da gibt’s dann auch jede Menge unterhaltsame und vergnügliche Beispiele. Kleine Kostprobe:

“Ada zog den Blick aus seinem [Alevs] Gesicht wie ein Messer aus einem Stück Butter.” (Spieltrieb 130)

Mittwoch, 8. August 2012

Juli Zeh, Nullzeit: Ein Satz zum Nachdenken

“Eine Landschaft ohne nennenswerte Vegetation hat es ebenso schwer wie eine Frau, die nichts Passendes zum Anziehen besitzt.”

Juli Zeh, Nullzeit, Frankfurt am Main 2012,11
Über diesen Satz bin ich schwer ins Grübeln geraten. Was wird hier eigentlich ausgesagt? Ich möchte unsere Leser um Hilfe bitten.

Ich habe schließlich versucht, ein passendes Bild dazu zu finden. Das Foto hat mit dem Roman nichts zu tun, außer dass es die Landschaft von Lanzarote zeigt und eine attraktive Frau; vielleicht hilft das. Beides spielt in Juli Zehs neuem Roman eine Rolle. Es ist ein spannender Sommerroman für Daheimgebliebene.


Dienstag, 7. August 2012

“Granatsplitter”. Karl Heinz Bohrers Scherbengericht


Am Anfang regnet es bunte Steine vom Himmel. Steine? Nein, es sind Granatsplitter der deutschen Flak, die 1940 die englischen Bomber über Köln vom Himmel schiesst. Eines Morgens sind sie da, und ein kleiner Junge sammelt diese bunten Steine, pardon: Metallscherben und legt sie in ein Kästchen. Er wird sie jahrelang mit sich tragen.

Der Rezensent merkt die Absicht und ist verstimmt: Hat nicht der alte Karl Heinz Bohrer in seinem Postscriptum geschrieben: “Der Erzähler sagt nicht das, was er über seinen Helden weiß, sondern das was sein Held selbst wissen und denken kann – je nach seinen Jahren” (316). Dass der Junge die Granatsplitter für Steine hält, will ich nicht so recht glauben. Ist es nicht eher so, dass der Literaturwissenschaftler Bohrer gleich in der Ouvertüre eine poetologische Reminiszenz zu Adalbert Stifters “Bunte Steine” einbaut?

Köln 1945
Bohrer erzählt, die Ich-Form meidend, anhand des “Jungen” seine eigene Schul- und Bildungsgeschichte, die sich zunächst in Köln abspielt. Der Vater ist ein weltläufiger Herr, der seinen Abscheu vor den Nazis auf den Sohn überträgt. Nach Kriegsende quält sich der Dreizehnjährige, der durch die Berichte von den Nürnberger Prozessen eine Ahnung vom Ausmaß der Verbrechen erhalten hat, mit langen Gesprächen und Überlegungen zur Schuldfrage. Er selbst war von der Schneidigkeit und Tapferkeit der deutschen Soldaten beeindruckt gewesen, er selbst hatte den Terror erlebt, den die Bombenangriffe auf die Bevölkerung von Köln ausgeübt hatten, er selbst kommt aber zu dem Schluss, dass große Teile des deutschen Volkes schuldig sind und schlägt seinem Vater eine rabiate Lösung vor:

“Warum urteilen diejenigen, die wie der Vater dachten, nicht selbst über all diese Verbrecher? Am besten wäre es doch, wenn sie sich alle zu einer Partei zusammenschließen würden? Und die anderen, auch wenn es die meisten waren, würden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Eigentlich wäre es das Beste, wenn man die Mörder erschießen würde. Das wäre eine moralische Veränderung. […] Eigentlich  war gar kein Prozess erforderlich. Alle Mörder gehörten erschossen” (122).

Die Seiten mit diesen Überlegungen gehören zu den besten des Buches, in denen Bohrer sich intensiv bemüht, nur das zu schreiben, “was sein Held wissen und denken kann”.

Im zweiten Teil der Erzählung schickt der Vater, ein klassisch gebildeter Nationalökonom, seinen Sohn auf die Internatsschule Birklehof im Schwarzwald, eine Schwesterschule von Salem. Im Krieg zeitweise geschlossen, war das Internat Ende 1946 unter dem neuen Direktor Georg Picht wieder eröffnet worden. Die Jahre 1947-1952 sind die entscheidenden Bildungsjahre Bohrers auf dieser Schule und nehmen den Hauptteil des Buches ein.

Die Zusammensetzung der Lehrerschaft entspricht dem Zustand der deutschen Nachkriegsgesellschaft: idealistische und antinazistische Pädagogen wie der Religionsphilosoph Picht, handverlesene ehemalige Nazis, die unter Hitler teils in hohen Universitätspositionen gesessen hatten, aber dort nicht mehr unterrichten durften, und eine preußische Gräfin aus dem Widerstand. Der familiäre Hintergrund der Schüler sieht ähnlich aus: Wie Salem war auch der Birklehof eine Eliteschule.

Der Schulalltag, die Lehrertypen, der Unterricht: Wir erhalten ein unterhaltsames Bild von den Qualitäten des deutschen klassischen Gymnasiums. Neben den europäischen Klassikern liest der Junge aus eigenem Antrieb zeitgenössische Literatur, unter anderen Sartre und Hemmingway, die ihn sehr beeindrucken. Außerdem sieht er französische Filme, La Belle et la Bête, Orphée, die ihn begeistern – der Birklehof befand sich in der französischen Besatzungszone.

Auffällig ist, dass die zeitgenössische deutsche Literatur nicht vorkommt, kein Name aus der Gruppe 47, auch kein Schmidt, kein Koeppen und kein neuer Titel der Schriftsteller der älteren Generation. Als der Junge bei einer Theatervorstellung von “Nathan der Weise” einspringen muss und seinen Text, den er in der Eile nicht mehr lernen konnte, vorlesen soll, kommt er mit den Seiten und Auftritten durcheinander. “Schließlich half er sich aus der Klemme, indem er jede erledigte Seite aus dem Reclamheft herausriss und mit großer Gebärde hinter sich warf”(178).

Ist das jetzt ein Zufall, diese symbolträchtige Handlung, die deutsche Literatur in Fetzen hinter sich zu werfen? Ich kann es nicht glauben. Obwohl der Junge sich entschließt, in Köln Germanistik zu studieren, hat sein Sehnen eine andere Richtung. Er kriegt in Köln keinen Kontakt zu den Kommilitonen, auch nicht zum gleichaltrigen Jürgen Becker, dem einzigen deutschen Nachkriegsschriftsteller, der in diesem Buch genannt wird. Nein, er will nach England. Der letzte Absatz des zweiten Teils lautet:

“Er hatte diese Landschaft im äußersten Westen gerne […] die lang sich hinziehende Landstraße mit den Pappeln auf beiden Seiten, direkt in Richtung auf die Belgische Grenze, ließ ihn denken: Das ist der unendliche Westen. Da ist der Horizont nie zu Ende. Das Wort ‘Westen’ hatte es in sich. Es bedeutete ihm das Meer. […] Dass die zertrümmerte Heimatstadt die letzte große Stadt im Westen war, war jedenfalls zur Zeit noch das Beste an ihr.”275)

Im kurzen dritten Teil wird London dann für den Jungen zur kulturellen Apotheose. Er fährt in den Semesterferien zum Geldverdienen nach England und gerät zufällig an einen Herrn aus der Upper Class, der ihm Zugang zu den Clubs und zum House of Commons verschafft. Die Eindrücke von der Macht und Kultur des jahrhundertealten Kolonialreiches sind überwältigend. Mit mehrwöchiger Verspätung kehrt er nach Deutschland zurück und nimmt sein Studium wieder auf.

Die bunten Steine lässt er hinter sich. Karl Heinz Bohrers Leben ist dann allerdings doch nicht so verlaufen, wie die beschriebenen Prägungen des Jungen hätten vermuten lassen. Er ist ja trotz alledem noch ein Germanist geworden, in Deutschland, und ein bedeutender dazu! Aber seit seiner Emeritierung 1997 wohnt er in London, Paris, Stanford, den kulturellen Kapitalen der westlichen Alliierten. Erst der alte Bohrer nähert sich in dieser “Phantasie einer Jugend” (Postscriptum, 316) mit den Mitteln der “poetischen Erinnerung” wieder dem jungen an. Dieses Buch ist Bohrers nachträgliches Scherbengericht, mit Deutschland und mit sich selbst. Das muss ihm sehr am Herzen gelegen haben. Das Versöhnlerische an Lessings Nathan hatte dem Jungen missfallen (vgl. 179). Es fiel ihm leicht, “mit großer Gebärde” die Seiten herauszureißen und dieses Paradestück des deutschen Bildungskanons hinter sich zu lassen. Ist der emeritierte Karl Heinz Bohrer mit seinen pragmatischen Lebensentscheidungen unzufrieden, und lässt er deshalb den kompromissloseren Jungen poetisch wieder auferstehen?

Sonntag, 5. August 2012

Wen interessiert’s? Der neue SPIEGEL widmet seine Titelgeschichte Hermann Hesse...


Ernst Jünger mit Vogel
„Den großen Herren erkennt man weniger daran, dass er mehr Raum, als daran, dass er mehr Zeit hat als die anderen.“

Ernst Jünger, Subtile Jagden (1967), 59

Samstag, 4. August 2012

Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (4), 1960-1969

Die ZEIT nennt

-        Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein (1964)

-        Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns (1963)

Café Deutschland empfiehlt

-        Peter Weiss, Der Schatten des Körpers des Kutschers (1960)

-        Ernst Jünger, Subtile Jagden (1967)

Peter Weiss‘ „Mikro-Roman“ Der Schatten des Körpers des Kutschers habe ich mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal gelesen. Ich weiß noch, dass mich die neue Art des Beschreibens sehr fasziniert hat. Weiss legt die beschriebenen Örtlickeiten quasi unter ein Mikroskop und die beschriebenen Zeitlichkeiten unter eine Zeitlupe. Alles wird bis in die Details aus einem zurückgezogenen, heimlichen und damit voyeuristischen Blickwinkel gesehen, was dem Text eine besondere Intensität gibt. Inwieweit mich dabei die sexuellen Phantasien des jungen Protagonisten und die von ihm beschriebene Kopulation des Knechtes mit der Magd bei der Stange hielten, vermag ich nicht zu sagen.

Ungewöhnlich auch die von Weiss angefertigten Collagen aus schwarz-weißen Zeichnungen, die alle zehn Seiten eine Art surrealistische Verbindung zum Text herstellen. Die Eröffnung dieser neuen Dimension des Schreibens, die dem französischen Nouveau Roman ähnelt, hat Peter Weiss selber gar nicht weiter verfolgt, aber sie hat zum Beispiel Ror Wolf, den ich später gerne gelesen habe, das Handwerkzeug geliefert. Der Text ist 1952 entstanden, hat aber erst 1960 einen Verleger gefunden und ist in den politischen sechziger Jahren ein interessanter Fremdkörper gewesen.

Auch der folgende Titel passt scheinbar nicht ins Jahrzehnt und hat gerade deswegen Aufmerksamkeit verdient: Ernst Jüngers Subtile Jagden, eine Mischung aus Erzählung, Tagebuch und Essay. Das Buch handelt von Käfern, könnte man sagen, und das ist sicher nicht falsch. Es handelt von der Faszination des Sammelns: Auch das trifft zu. Ernst Jünger hat sein Leben lang Käfer gesammelt und galt als bedeutender Entomologe. Sein Haus war voll von auf Stecknadeln gespießten Käfern. Aber eigentlich geht es in diesem Buch um eine unterhaltsame Erzählung vom Sammeln als Kulturhandlung und ästhetische Existenz. Dazu gehören Reisen, Naturerfahrung, Beobachtung, Lesen und Kommunizieren: der ganze Kosmos der Kultur. Das ist die andere Seite des als „Krieger“ berühmt gewordenen und oft verunglimpften Autors. Erschienen in einer Zeit, deren junge Generation als „politisiert“ galt und den „Tod der Literatur“ verkündet hat, ist dieses schöne Buch ein wunderbares Überlebenszeichen der alten europäischen Kultur in der erzählerischen Wüste der sechziger Jahre.

Freitag, 3. August 2012

Rainald Grebe auf Konzerttour


Es ist nie zu spät: Rainald Grebe begeistert zwar schon seit Jahren die Generation nach mir, ist mir aber erst jetzt aufgefallen. Zur Feier des Tages hier noch sein Lied “Krümel“, das die Vierzigjährigen offenbar zu Tränen rühren kann. Auch dies Lied erzählt eine deutsche Jugendgeschichte aus dem Kölner Raum (Ich lese ja gerade die “Erzählung einer Jugend” des achtzigjährigen Karl-Heinz Bohrer).



Rainald Grebe tourt in diesem Jahr mit seinem Solo-Konzert durch die deutschen Republiken, um Anfang 2013 wieder bei den Wühlmäusen in Berlin anzukommen, wo seine Tour begonnen hat. Viele Konzerte sind schon ausverkauft, aber es gibt noch Chancen zwischen Wien und Oberhausen.
Das Konzert steht in zwei Teilen komplett auf YouTube.

Donnerstag, 2. August 2012

Hitler, Knopp und Grebe: Geschichte ist so geil!

Anlässlich der Pensionierung von Guido Knopp, dem bekannten ZDF-Historiker, bringt Café Deutschland das Lied „Guido Knopp“ von Rainald Grebe. Knopp ist ja sozusagen das „Mädchen für Alles über Hitler“ des ZDF. Das ist eine Funktion, die ich aus meinem eigenen Berufsleben ein klein bisschen nachvollziehen kann.

Rainald Grebe ist ein vielseitiger Liedermacher, Schauspieler und Kabarettist, dessen Qualität an seiner Behandlung des Phänomens Knopp ersichtlich wird. Das hat auch das Interesse des Literaturwissenschaftlers Gerrit Lembke geweckt. Dessen Artikel Poetik der Einebnung: Zur Amalgamierung von Raum und Zeit in den Liedern Rainald Grebes Zeitmaschine (2008) und Guido Knopp (2005)” kann ich nur warm empfehlen.
Bitte lasst euch von dem klassisch-germanistisch formulierten Titel nicht abschrecken: Wer sich etwas näher über Rainald Grebes ironischen Umgang mit Knopp und anderem informieren will, ist hier bestens aufgehoben.

Aber nun das Lied:



Guido Knopp ist ein Historiker, seine Worte sind Gesetz.
Wer ihn kennt, der weiß das, wer nicht, der weiß es jetzt.
Er heißt Knopp, Doktor Guido Knopp.
Er wohnt im deutschen Fernsehen, er wurde dort geboren.
In einer WG mit Adolf Hitler, und anderen Senioren.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Die Geschichte hab ich griffbereit wie eine Tafel Schokolade,
Ich zieh sie aus der Tasche wenn ich Hunger auf sie habe.
Yam, yam, yam das schmeckt so gut, ich wusste gar nicht wie gut das tut.
Nicht alles auf einmal, dafür ist sie zu schade.
Er ist mein Gedächtnis, was ich weiß hab ich von ihm.
Er kann so kann so schön erzählen, so finster und intim.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Hitlers letzte Sekretärin.
Hitlers Hund trifft am Gartenzaun, Hitlers Kiefernorthopädin.
Knopp, einer muss es ja machen.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.

diverse O-Töne folgen ...

Ich sitz vor der Geschichte, es ist irgendwie nicht meine.
Manchmal denke ich, ich hätte selber keine.
Bitte Guido, bitte bitte ich hätt' so gerne eine eine von Knopp,
Dr. Guido Knopp.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.

diverse O-Töne ...