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Sonntag, 11. März 2012

Poetologie des Blogs (7): Im Nu

Das „Nu“ bezeichnet einen sehr kurzen Zeitabschnitt und ist damit ein Synonym für das schöne Wort „Augenblick“. Als Substantiv kommt es nur in Verbindung mit der Präposition „im“ vor: „Ich bin im Nu wieder da“ und „Das ist doch im Nu getan“.

Das „Nu“ oder der „Augenblick“ ist kein Zeitpunkt, sondern eine dynamische Zeitspanne, in der etwas gemacht werden oder passieren kann. Man kann darüber spekulieren, wie lange diese Zeitspanne dauert und was darin alles Platz hat. Neurologisch-psychologisch scheint es sich um etwa drei Sekunden zu handeln: Diese absolute Gegenwart erleben wir von Intervall zu Intervall. Der Augenblick ist das schönste Bild dafür. Dabei ist er gar kein Bild, sondern ein organisches Faktum, das die menschliche Art und Weise des Sehens der Gegenwart bestimmt: nach einem Augenblick schließt sich das Lid kurz und unterbricht den Blick.
Ich habe mich immer mal wieder gefragt, woher sich das Wort “Gegenwart” in seiner Bedeutung als Synonym für „Jetztzeit“ eigentlich ableitet. Dabei hätte es mir sofort klar sein können, wenn ich mir den Gebrauch in Sätzen wie: „In Gegenwart dieser Person fühle ich mich nicht wohl“ vor Augen geführt hätte. „Gegenwart“ heißt auch „Anwesenheit“ bzw. das ist die ursprüngliche Bedeutung, und als Zeitbezeichnung kommt es erst viel später in Gebrauch.

Die Engländer benutzen für das Nu übrigens das rätselhafte und überaus sympathische Wort „jiffy“: „I’ll be back in a jiffy“. Wenn ich das mal teste, scheint mir ein Augenblick eher etwa fünf Sekunden zu dauern. Aber das ist letztlich egal. Unsere Zeiterfahrung, in der wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfahren, ist hiervon bestimmt: etwas, das vor fünf Minuten passiert ist, ist eindeutig bereits Vergangenheit.

Deshalb ist auch das Blog ein ganz besonders gegenwärtiges Medium. Ein Blogbeitrag entsteht in seiner Essenz in einem Augenblick. Er ist eine Idee, die sich meistens an ein aufgefundenes Zitat, ein Bild, einen Eindruck anknüpft, und der Blogautor formuliert im Nu seine Verbindung zwischen dem Zitat und seiner Idee und stellt sie ins Netz. Mag sein, das das Formulieren und Zusammensuchen etwas länger dauert, aber im Kopf ist der Beitrag fertig: im Nu! In a jiffy!
Im Nu – und es hilft, wenn man sich das Nu einmal nicht zeitlich, sondern räumlich vorstellt – im Nu bin ich da, bin ich anwesend, und ich befinde mich in keiner Stasis, nicht an einem Punkt, sondern in einer Bewegung, einer Veränderung, in der kleinsten sinnvollen Einheit, etwas zu machen.

Mein Blog ist eine Sammlung solcher Momente.

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